Stellungnahme

Stellungnahme zur Bundestagsdebatte „Freiberufliche Hebammen“

Vor einem Monat gab es eine Bundestagsdebatte zur Situation der freiberuflichen Hebammen. Mother Hood fasst für Sie die wichtigsten Aussagen zusammen und bezieht Stellung.

Zur Debatte am 12.05.16 im Deutschen Bundestag zu Arbeitsbedingungen und Finanzlage der freiberuflichen Hebammen

Aufmerksam haben wir die Debatte des Deutschen Bundestags zur Situation der freiberuflichen Hebammen am 12.05.2016 verfolgt. Wir möchten auf einige wesentliche Punkte näher eingehen. Diese betreffen vor allem die Versorgung von Eltern und Kindern. 

Deutschlandweit werden durchschnittlich etwa 20 Prozent der klinischen Geburten von freiberuflichen Hebammen betreut, in manchen Regionen sind es bis zu 60 Prozent. Ihr Ausscheiden aus dem Beruf sorgt zugleich für eine stärkere Belastung der festangestellten Kolleginnen.

Der Wegfall freiberuflicher Hebammen berührt in jedem Fall die Interessen aller Eltern.

1. Zahl der freiberuflichen Hebammen / Versorgungslage

In der Debatte hieß es, die Versorgungslage habe sich nicht wesentlich verschlechtert, dies zeige auch die IK Liste des GKV-SV.

Die IK-Liste ist lediglich eine freiwillige Liste, auf der sich Hebammen für die Abrechnung von freiberuflichen Leistungen eintragen, nicht jedoch wieder austragen müssen. Zudem sagt sie nichts über die Zahl der tatsächlich erbrachten freiberuflichen Hebammenleistungen sowie deren räumliche Verteilung aus.

Der GKV-SV bestätigt auf Nachfrage, dass es keine aktuellen Zahlen gibt, welche die aktuelle oder zukünftige Versorgungslage wiedergeben.

Medienberichte, die „Landkarte der Unterversorgung“ und regionale Analysen zeigen, dass in zahlreichen Großstädten, aber auch in ländlichen Gebieten, keine ausreichende Versorgung besteht.

Zahlen sollten aktuell und inhaltlich relevant erhoben werden. Ihre Bewertung sollte sich am Bedarf orientieren und erwartete Geburtensteigerungen miteinbeziehen. Dies sollte durch eine verlässliche Studie erfolgen, an deren Set-up wir uns als Eltern gerne beteiligen. 

2. Regressverzicht

Wir begrüßen, die Zustimmung zu einem Regressverzicht. Dieser kann jedoch nicht verhindern, dass die Haftpflicht-Beiträge in 2016 und 2017 erneut um jeweils etwa 10 Prozent steigen. Auch der Verband der Versicherer weist darauf hin, dass der Regressverzicht die Haftpflicht nicht nachhaltig niedrig halten wird.

Zudem greift er nur im Falle der leichten Fahrlässigkeit. Da der Nachweis, ob es sich um eine grobe oder leichte Fahrlässigkeit handelt, nur schwer zu erbringen ist, wird diese Differenzierung langwierige juristische Prozesse nach sich ziehen. Diese gehen vor allem zu Lasten geschädigter Kinder und ihrer Eltern.

Eine Haftpflichtfonds-Lösung ist daher weiterhin die von uns präferierte Maßnahme. 


3. Planungssicherheit

Der Umstand, dass es für die nächsten 2 Jahre noch einen Versicherer gibt und die Prämiensteigerung von 20 Prozent nunmehr auf 2 Jahre verteilt wird, wird als „Planungssicherheit“ bezeichnet.

Im Gegenteil: es besteht weiterhin eine große Unsicherheit, die sich darin ausdrückt, dass immer mehr freiberufliche Hebammen ihren Beruf aufgeben und somit auch für die Schwangerenvorsorge und die so wichtige Wochenbettbetreuung nicht mehr zur Verfügung stehen.

Kreißsäle sind unterbesetzt, Klinikpersonal zunehmend überlastet und Geburtsstationen und Geburtshäuser schließen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich durch ein Abwarten an diesem Trend etwas ändern wird. All dies gefährdet die Sicherheit von Mutter und Kind.

4. Sicherstellungszuschlag und ET+3 Regelung

Der Sicherstellungszuschlag ist ein erster Schritt, die finanzielle Situation freiberuflicher Hebammen zu verbessern. Dies erreicht er jedoch nicht im intendierten Maße.

Zudem ist seine Auszahlung mit der Einführung eines neuen Ausschlusskriteriums für Hausgeburten verbunden: Die Frau muss sich drei Tage nach dem errechneten Termin (ET+3) von einem Facharzt untersuchen lassen. Nur wenn dieser einen unauffälligen Befund ausstellt, kann eine Hausgeburt erfolgen.

Frauen werden durch diese Regelung in ihrer Autonomie und ihren Rechten eingeschränkt, denn es ist ihnen nun nicht mehr (wie bei einer Geburtshausgeburt) möglich, in Absprache mit ihrer Hebamme eine informierte Entscheidung zu treffen. Dies führt zu großer Verunsicherung der Schwangeren.

Hebammen sind per Ausbildung und Berufsordnung dazu befähigt, eine nicht regelgerechte Schwangerschaft festzustellen. Die neue Regelung greift in ihr Berufsrecht ein, weswegen sie auch dagegen vorgehen.

Zudem sehen Hausgeburtshebammen ihre finanzielle Sicherheit gefährdet. Sie können nur eine geringere Zahl an Geburten annehmen. Sollten aufgrund der neuen Regelung unerwartet Geburten und mit ihnen der Sicherstellungszuschlag eines Quartals wegfallen, tragen sie allein das finanzielle Risiko.

5. Wahlfreiheit des Geburtsortes

Es stimmt, 98% der Geburten finden in einem Krankenhaus statt. Unabhängig davon, ob diese Zahl mit einem mangelnden Angebot und fehlender Aufklärung zur Sicherheit und Risiken außerklinischer Geburten zusammenhängt, ist diese Feststellung für den Erhalt der Wahlfreiheit des Geburtsortes nicht relevant.

Die Wahlfreiheit ist ein Recht, verankert im SGB V. Zudem hat im sogenannten Ternovsky-Urteil der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits 2010 entschieden, dass die europäischen Mitgliedsstaaten unter Bezug auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention dazu verpflichtet sind, das Recht der Frauen auf die freie Wahl des Geburtsortes und auf Geburtsbegleitung zu garantieren.

Was in der Debatte um die freiberuflichen Hebammen sowie die Geburtshilfe bisher keine ausreichende Berücksichtigung findet,  sind die Interessen der Eltern. Dabei sind diese unmittelbar betroffen.

Auch sollte die momentane Entwicklung in den Kliniken stärker in den Fokus gerückt werden, denn diese wird in der aktuellen Debatte, bei der oft irreführend eine Gleichsetzung von freiberuflicher und außerklinischer Betreuung erfolgt, zu sehr außer Acht gelassen.

Wir fordern, dass die Sicherheit auch in den Kliniken eingehender analysiert wird. Denn lange Anfahrtswege, Personalmangel, unnötige medizinische Interventionen und hohe Kaiserschnittraten gefährden Mutter und Kind zunehmend.

Eine Hebamme kann ihren Beruf wechseln. Wir und unsere Kinder aber sind auf eine gute Versorgung angewiesen. Bei mehr als 700.000 Geburten jährlich in Deutschland erwarten wir als Elterninitiative und Wähler, dass die Politik hier unsere Interessen vertritt und bedarfsorientiert agiert.

Bonn, 14.06.2016

Ansprechpartnerin

Katharina Desery
Vorstand und Pressesprecherin
Tel.: 0163/ 7274735
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