Bündnis Gute Geburt: Stellungnahme zur Versorgung rund um Geburt

Das Bündnis Gute Geburt, zu dem Mother Hood als eine der fünf Gründungsorganisationen gehört, fordert die Bundesregierung auf, endlich Maßnahmen für eine bessere Geburtshilfe zu ergreifen!

Das Bündnis Gute Geburt, zu dem Mother Hood als eine der fünf Gründungsorganisationen gehört, wendet sich mit einer Stellungnahme an das Gesundheitsministerium (BMG), das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Das Bündnis Gute Geburt fordert die Bundesregierung auf, endlich den im Koalitionsvertrag
vereinbarten Aktionsplan für das Gesundheitsziel Geburt zu erstellen. Der Aktionsplan ist eng an dem Gesundheitsziel Geburt mit seinem elaborierten, frau-, familien- und kindzentrierten
Maßnahmenkatalog auszurichten.

1. Versorgungsstrukturen rund um die Geburt nachhaltig, gesundheitsförderlich und an Salutogenese orientieren

  • Geburtshilfe muss in allen Versorgungsleveln, auch in der Grundversorgung Level I, Basis- und Regelversorgung, gesichert verortet sein. Diese muss qualitätsgesichert, wohnortnah und bedarfsgerecht strukturiert und mit einem langfristigen Konzept verankert werden.
  • Schwangere mit besonderen Bedarfen (z. B. Risiken) sollten gezielt auf die Versorgung in Kliniken der Schwerpunkt- oder Maximalversorgung (Level II und III) verwiesen werden.
  • Die Verbindlichkeit des Gesundheitsziels Geburt auf allen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) muss gesichert werden.
  • Eine geburtshilfliche Versorgungsplanung muss kommunal, landesweit und länderübergreifend gestaltet werden und den Anspruch der Frau auf die freie Wahl des Geburtsortes berücksichtigen.
  • Das Bekenntnis zu der lebenslangen Bedeutung einer frau- und familienzentrierten geburtshilflichen Versorgung muss beispielsweise durch sprachliche Anpassung in Veröffentlichungen hervorgehoben werden.
  • Zur Sicherung einer umfassenden Betreuung in der gesamten Lebensphase sind Vernetzungen zwischen ambulanten und stationären Einrichtungen sowie zwischen verschiedenen Berufsgruppen auszubauen (zum Beispiel Geburtsvorbereitung,
  • Hebammenbegleitung bei (fraglichem) Geburtsbeginn, Stillberatung, Mütterpflege). Forschungsvorhaben zu Versorgungsstrukturen in der Geburtshilfe (Förderung der physiologischen Geburt, Erreichbarkeit, Versorgungskonzepte, Continuity of Care, etc.), die auch darauf abzielen, Hebammen und Gynäkolog*innen im Beruf zu halten, sind zu fördern.
  • Das Präventionsgesetz (PrävG) muss in § 20 (3) um das Gesundheitsziel Geburt ergänzt werden.

2. Geregelte Zusammenarbeit der Professionen rund um die Geburt sowie zwischen ambulantem und stationärem Sektor gewährleisten

  • Interprofessionelle Zusammenarbeit muss als Querschnittskompetenz in der Studien- und
  • Prüfungsordnung für Ärzt*innen verankert werden. Qualitätsgesicherte Fortbildungen und Notfalltrainings in interdisziplinären Teams, auch überregional, müssen organisiert und finanziert werden.
  • Die Studien- und Prüfungsordnungen der medizinischen Berufe müssen Inhalte zu Kommunikationskompetenzen enthalten, einschließlich interkultureller Qualifikation.
  • Ein umfassender Kommunikationsfluss bei der Übergabe zwischen ambulanter Praxis und der Geburtsklinik muss gewährleistet werden, ggf. mithilfe des eMutterpasses.
  • Für ein Verfahren zum Informationsaustausch über die Versorgungslage vor Ort und die
  • Übergabe an Schnittstellen müssen der Bund und die Länder Rahmenbedingungen schaffen.

3. Qualität der Betreuung rund um die Geburt verbessern und strukturell verankern

  • Eine sog. S4-Leitlinie (d.h. S3 ergänzt um Betroffenenperspektive und mit Entscheidungshilfen) zur Schwangerenvorsorge muss unter Partizipation von Vertreter*innen der Betroffenen erstellt werden.
  • Das IQTIG muss die Qualitätskriterien der Qualitätsberichte der Kliniken um weitere Kriterien ergänzen, die eine Qualität im Sinne des Gesundheitsziels sowie der Familien abbilden (zum Beispiel Anwendung Fundusdruck, Gebärposition, interventionsarmer Geburtsverlauf, Stillberatung).
  • Ergänzung der Studien- und Prüfungsordnungen der medizinischen Berufe bezüglich kommunikativer Kompetenzen, wie zu Beschwerden bezüglich Respektlosigkeit und Traumatisierung. Förderung der Konfliktfähigkeit der Berufsgruppen.
  • Respekt und Gewaltlosigkeit in der Geburtshilfe sind entsprechend der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW, der Erklärung der WHO sowie der Istanbul-Konvention des Europarates zu fördern. Die Verpflichtungen Deutschlands zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zum Gewaltschutz müssen auch für den Bereich der Geburtshilfe umgesetzt werden. Jeglichen Formen von Gewalt gegen Frauen muss vorgebeugt werden und sie muss bekämpft werden (vgl. zu Gewalt in der Geburtshilfe u. a. die Resolution des EU-Parlamentes: Parliamentary Assembly, Resolution 2306 (2019) Obstetrical and gynaecological violence).
  • Bei negativen Geburtserfahrungen müssen Strukturen der Verarbeitung geschaffen werden, da Gewalt die psychische und physische Gesundheit

4. Patient*innenrechte rund um die Geburt und Gesundheitskompetenz stärken

  • Zur Stärkung der Gesundheitskompetenz müssen die jährlichen Qualitätsberichte der Kliniken Schwangeren und ihren Familien einfach zugänglich gemacht werden, so wie es zum Beispiel durch das Portal https://perinatalzentren.org zur Versorgung von Frühgeborenen angeboten wird.
  • Informationsmaterialien zu Untersuchungen und Behandlungen (einschließlich präventiver Maßnahmen) während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett müssen die Kriterien für evidenzbasierte Gesundheitsinformationen erfüllen, wie sie beispielsweise vom IQWiG über www.gesundheitsinformation.de teilweise zur Verfügung gestellt werden.
  • Informationen und Kurse für Schwangere müssen auf geeignete Weise und qualitätsgesichert auf die hohen körperlichen und seelischen Herausforderungen einer Geburt vorbereiten.
  • Familien müssen bei vermuteten Behandlungsfehlern leichter Unterstützung erhalten.
  • Entscheidungshilfen bzw. evidenzbasierte Informationen müssen für alle Untersuchungen und Eingriffe entwickelt werden und barrierefrei zugänglich sein. Dies gilt auch für Untersuchungen, die als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten werden.
  • Patientinnenrechte rund um die Geburt stärken bedeutet, Frauen über ihr gesetzlich verankertes Recht auf Aufklärung, Einwilligung (aber auch Ablehnung) sowie Dokumentation zu informieren (§ 630 BGB).
  • Informationen für Schwangere müssen die Möglichkeit von später als gewalttätig erfahrenen Ereignissen, ihrer Prävention und nachgehenden Verarbeitung erwähnen, nebst den Zugängen zu einem Spektrum von Hilfsangeboten, von niedrigschwellig (Clearingstellen) bis hoch spezialisiert.
  • Einrichtung und Förderung von Beratungsstellen und Hotlines, an die sich Frauen zum Beispiel nach belastenden oder traumatisierenden Erfahrungen wenden können.

Die komplette Stellungnahme gibt es hier:

Weitere unterzeichnende Organisationen, die Mitglied im Bündnis Gute Geburt sind:

pro familia Bundesverband
Deutscher Frauenring
Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands
Donum Vitae

Sowie der Lenkungskreis vom Bündnis Gute Geburt:

Deutscher Frauenrat
Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen
Mother Hood
Deutscher Hebammenverband
Arbeitskreis Frauengesundheit

Berlin, 30. Mai 2023

Über das Bündnis Gute Geburt:

Das Bündnis Gute Geburt wurde von fünf Organisationen – Arbeitskreis Frauengesundheit, Mother Hood, Deutscher Hebammenverband, Deutscher Frauenrat, Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen – gegründet. Es fordert konkrete Verbesserungen und einen grundlegenden Kulturwandel in der Geburtshilfe, der Mutter und Kind ins Zentrum rückt. Das Bündnis will dazu nicht nur Akteur*innen im Gesundheitswesen und Politik  ansprechen, sondern auch die Gesellschaft über den besonderen Wert einer Geburt unter respektvollen, menschenwürdigen und sicheren Bedingungen aufklären. 

Kontakt Bündnisorganisationen:

Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V
Juliane Beck
E-Mail: beck(at)akf-info.de 

Mother Hood e. V.
Katharina Desery
E-Mail: presse(at)mother-hood.de 

Deutscher Hebammenverband e. V.
Michaela Peeters
E-Mail: presse(at)hebammenverband.de 

Deutscher Frauenrat e. V.
Sibille Heine
E-Mail: heine(at)frauenrat.de

Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen
Silke Tamm-Kanj
E-Mail: bag(at)frauenbeaufragte.de 

Ansprechpartnerin

Katharina Desery
Vorstand und Pressesprecherin
Tel.: 0163/ 7274735
E-Mail: presse(at)mother-hood.de