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Hauptsache gesund! Oder sollte eine Geburt auch „schön“ sein?

Katharina Desery, Vorstand von Mother Hood reagiert in einem Leserbrief auf den Artikel „Wohl geboren“ von Nina von Hardenberg, Süddeutsche Zeitung, 13.10.2017. In diesem kommt die Autorin zu dem Schluss es sei „nicht das Wichtigste, ob man in einem Krankenhaus ein schönes Geburtserlebnis hatte.“

Fragt die Mütter, wie sie sich Geburten vorstellen! (c) Mother Hood e. V.

Die Süddeutsche Zeitung hat zwei sehr unterschiedliche Artikel zum Thema Geburtshilfe veröffentlicht. Der Artikel „Wie das Leben beginnt, geht uns alle an“ kritisiert die derzeitigen Missstände in der Geburtshilfe und das nimmt das Wohlbefinden der Mütter in den Blick. 

Die Autorin des Artikels „Wohl geboren“ hingegen spricht sich für mehr High-Tech-Geburtszentren aus und kommt provokativ zu dem Schluss, dass eine Geburt nicht „schön“ sein müsse, Hauptsache Frau und Kind seien gesund. Wir haben der Autorin geschrieben.

Leserbrief von Katharina Desery, Vorstand Mother Hood e.V., in Reaktion auf den Artikel „Wohl geboren“ von Nina von Hardenberg, Süddeutsche Zeitung, 13.10.2017

Beginnen wir mit dem Positiven am Artikel „Wohl geboren“ von Nina von Hardenberg, der am 13. Oktober in der Wochenendausgabe Ihrer Zeitung erschienen ist: Es brauche „mutige Politiker“, um die Geburtshilfe in Deutschland neu zu denken und zu planen. Ein verbindlicher Personalschlüssel für eine Geburt ist ein wichtiger Punkt. Die Politiker für die Lösung der Probleme in der Geburtshilfe in die Pflicht zu nehmen, ist eine wichtige Forderung. Zentralisierung ist aus Sicht von Mother Hood e. V. der falsche Weg, die Probleme in den Griff zu bekommen.

Zur Not mit dem Hubschrauber in entfernt liegende High-Tech-Geburtszentren

Was braucht es nun, damit Babys „wohl geboren“ werden? Laut der Autorin keine wohnortnahe Versorgung mit geburtshilflichen Einrichtungen und auch kein „schönes Geburtserlebnis“, sondern einzig genug große High-Tech-Geburtszentren mit ausreichend Personal. Da sei es dann auch egal, ob die Schwangere unter Wehen eine Stunde Fahrt bis zum nächsten Kreißsaal in Kauf nehmen muss, in den sie zur Not auch mit dem Hubschrauber gelangen könnte. Wirklich? Soll das die Geburtshilfe der Zukunft sein?

Eltern möchten schreien vor Empörung, wenn sie so etwas familienfeindliches lesen müssen. Aber wir schreien nicht, denn das wäre der Autorin (und übrigens auch vielen Politikern) emotional zu aufgeladen. Und in diesem Punkt hat die Autorin recht. Die Diskussion in der Geburtshilfe muss in erster Linie auf wissenschaftlichen Fakten beruhen. Daran sollten sich alle Akteure orientieren! Diese Fakten sind bekannt, sie müssen nur endlich als Grundlage für die Problemlösung herangezogen werden:

Bedürfnisse der Mütter gehören in den Mittelpunkt

Wissenschaftliche Studien belegen nämlich, dass Stress rund um die Geburt (zum Beispiel durch lange Autofahrten unter Wehen) den Geburtsverlauf empfindlich stört. Er führt beispielsweise zum Geburtsstillstand und infolgedessen zu medizinischen Eingriffen bis hin zum Kaiserschnitt. Eingriffe, die ohne die Störung nicht hätten sein müssen! Studien belegen auch, dass weite Anfahrtswege zur nächsten Geburtsstation Risiken für Mutter und Kind mit sich bringen.

Doch die wichtigste wissenschaftliche Erkenntnis ist, dass eine 1zu1-Betreuung rund um die Geburt zu weniger Komplikationen und einem insgesamt besseren Ergebnis (dem sog. „Outcome“) bei Mutter und Kind und zu mehr Sicherheit führt. Daran sollten wir uns orientieren, das lässt Frauen „wohl gebären“!

Das haben übrigens auch die viel zitierten Schweden erkannt. In dem Land, das in der Fläche 25 Mal größer als Deutschland ist, werden die Schwangeren vom positiven Schwangerschaftstest bis hin zum Ende der Stillzeit von Hebammen betreut. Eben diese Hebammen bieten übrigens Kurse an, in denen die Eltern auf eine Geburt im Auto vorbereitet werden. Insgesamt eignet sich Schweden, da sind sich Experten ganz unemotional einig, nur bedingt als Musterbeispiel für die Geburtshilfe in Deutschland.

Anders als die Autorin meint, muss gerade dem, was eine Geburt „schön“ macht, mehr Bedeutung beigemessen werden. Die Bedürfnisse der Mutter müssen dabei im Mittelpunkt stehen. Nur, wenn sie sich vor, während und nach der Geburt gut aufgehoben fühlt, wird aus dem Geburtserlebnis eines, mit dem sich Mutter und Kind „wohl fühlen“.

Was Geburten sicher macht

Wir brauchen Bedingungen, mit denen Frauen das Geburtserlebnis als „schön“ empfinden können. Es sind die gleichen Bedingungen, die eine Geburt sicher machen. Natürlich gehören auch gut ausgestattete Perinatalzentren dazu, die im Falle von zum Glück recht selten vorkommenden Komplikationen das Leben von Babys und Müttern retten können. Dazu zählen aber vor allem wohnortnahe geburtshilfliche Einrichtungen, die die freie Wahl des Geburtsortes ermöglichen. Tatsächlich ist es so, dass sich nicht jede Schwangere eine große Klinik mit Maximalversorgung wünscht, sich dort sogar „unwohl“ fühlen würde.

Des Weiteren sind eine 1zu1-Geburtsbetreuung, eine Schwangerenvorsorge und Wochenbettbetreuung durch Hebammen sowie der Blick auf Geburten nicht als „Risiko“, sondern als natürliches, freudiges Ereignis, die besten Voraussetzungen für sichere Geburten.

Unterstützt würden diese Bedingungen durch ein Vergütungssystem, in dem natürliche Geburten besser honoriert werden.

Anmerkung: Mit der SZ-Autorin Nina von Hardenberg begann auf unsere E-Mail hin ein ausführlicher, konstruktiver und sehr freundlicher Austausch. Wir finden das gerade angesichts dieses komplexen Themas sehr vorbildlich und freuen uns, weiterhin von Frau von Hardenberg zu lesen, auch wenn wir wohl nicht in allen Punkten einer Meinung sein werden.